Vierlingen begnadigter Berufung

In dieser Woche liess der Heiligenkalender wieder den Festtag des großen Jugendfreundes und Jugendretters, der einen Weltruf sich erworben hat, gefeiert werden, nämlich das Fest des Hl. Johannes Baptist de la Salle.

Wer das große Glück gehabt hat, lange Jahre zu Füssen von Schulmeistern sitzen zu dürfen, die vom Heiligen de la Salle de Formung und’ die Gewandung erhielten, wer von diesen unvergleichlich fähigen Erziehern die Grundlage für sein eigenes Berufsleben erlangt hat, für den sind, diese schwarzen Gestalten der Schulbrüder, welche sie auch sein mögen, etwas wirklich Symbolhaftes, ein lebendiges Ideal, ein Weltkapital, dessen Weiterbestand ihm unbedingt am Herzen liegen muß. Aus diesem Geiste heraus sollen die folgenden Aufzeichnungen den Weg in die Öffentlichkeit finden und für en paar Augenblicke das Bewusstsein recht lebendig werden lassen, daß es in unserer Zeitgeschichte nicht bloß Schatten gibt, sondern auch sonnige Lichtpunkte, deren Ausstrahlung manches graue Nebelgebilde verscheucht. Und dieser Lichtherd dürfte vielleicht noch um so mehr Wert haben als es um Lichtgestalten geht, die aus unserer engeren Heimat ihre Lichtbahn angetreten und ihr lichtvolles Strahlenbündel in geschlossener Gemeinsamkeit haben ausstrahlen lassen.

Wir möchten hier in ein paar Umrissen ein vielleicht in der Geschichte klösterlicher Gemeinschaften einzig dastehendes Familienbild zeichnen. Wir möchten ein paar Worte sagen von vier Söhnen des Hl. Johann de la Salle, die unter einander nicht bloß durch das brüderliche Gemeinschaftsband gleicher Ordenszugehörigkeit verbunden waren, die nicht bloß zur gleichen Hausgemeinschaft gehörten, sondern auch leibliche Brüder, echte Geschwister dem Blute nach waren. Man möchte ja fast sagen. daß das zur Spezialität der Gemeinschaft der Christlichen Schulbruder gehört, daß das gleiche Blut da mehrfach vertreten ist. Die beiden im Rufe der Heiligkeit stehenden Träger des gleichen Namens Mutter Marie snd ja auch gleichen Blutes, sind Onkel und Neffe. In unserem Falle handelt es sich um vier Brüder, die derselben geistlichen Familie beitraten; die in Ihrem beruflichen Werdegang sich nach und nach zur gleichen Hausgemeinschaft zusammenfanden und durch in doppeltes brüderliches Band ihr Zusammenleben stützten.
Noch sei gleich hinzugefügt -und dieses Moment ist von ganz besonderem Werte gerade für unsere Leser – , die vier verbrüderten Christlichen Schulbrüder, von weichen hier die Rede ist, stammen aus unserer Gegend, sie sind Kinder der Aubeler Orts- und Piarrgemeinde; sie tragen den recht heimatlich klingenden Familiennamen VAN WERSCH. Gehen wir nur kurz dem Lebenslauf dieser vier Söhne des hl. Johann Baptist de la Salle nach.

Der erste und älteste war PIERRE JOSEPH Van Wersch. Er wurde am 27. August 1822 geboren und trat in das Namürer Noviziat der Schulbrüder am 14, August 1846 ein, Er starb am 19. November 1880, im Lebensalter von 58 Jahren und im 34. Berufsalter. Er trug den Ordensnamen : Bruder Modestus von Jesus.
Schon vor seinem Eintritt in die Gemeinschaft der Brüder hatte der junge Mann daheim regelmäßig arme Kinder um sich geschart und sie in der Religion unterrichtet. Er begleitete auch gern die Ortsgeistlichkeit bei ihren Armen- und Krankenbesuchen, wobei er still auch selber manches Almosen spendete.

Mit 23 Jahren entschloß er sich, sein Leben ganz der Jugendpflege zu widmen. Und sowohl in seiner Ausbildungszeit als später in der Ausübung seines Erzieheramtes gab er sich mit ganzer Seele den Kindern und mit Vorliebe den armen Kindern hin. Sein Tätigkeitsfeld erstreckte sich zumeist auf die Provinz Hennegau. Hier wurde er nacheinander Direktor von drei Schulen. Sein letzter Arbeitssektor war Tournai, wo er vor allem ganz arme Kinder zu seinen Lieblingen hatte.

Seines Namenspatrons Petrus’ frohes Bekenntnis hatte auch er sich so recht zu eigen gemacht: “Herr, zu wem soll ich gehen? Du allein hast die Worte des ewigen Lebens” we er andererseits des Völkerapostels Paulus Ideal wahrmachte: ,Allen alles sein, um alle für Christus zu gewinnen.”
Er wurde mitten aus seiner Tätigkeit durch einen Schlaganfall herausgerissen und er starb eines wirklich verklärten Todes.

Fünf Jahre nach Eintritt des ältesten Bruders. erfolgte der Eintritt von FRANçOIS LEONARD Van Wersch in die Phalanx der Schulbrüder. Am 3. August 1825 geboren zählte der Ordenskandidat bei seinem Berufsbeginn am 24. Dezember 1851 26 Jahre Er sollte ais Bruder Macé 52 Jahre im Berufe bleiben, bis er im Alter von 77 Jahren in die Ewigkeit einging.

Ein Wort charakterisiert dieses immer sonnige, selbst froh und alle anderen frohmachende Leben: Immer froh! Ja, das ist dieser vom heiligmäßigen Novizenmeister Bruder Nonce. ein Kind von Sint Pieters _Voeren, in die Berufslaufbahn Reingeführte Ordensmann.

In Namur begann er seine Erziehertätigkeit. Jedoch zwang ihn sein sehr schwächlicher und gebrechlicher Gesundheitszustand, auf den sehr mühsamen Unterricht zu verzichten, um mehr die äußeren Geschäfte der Brüdergemeinschaft zu übernehmen, wozu ihn sein stets munteres und aufgeschlossenes Wesen ganz besonders geeignet machte.

Einem späteren Mitbruder hatte Bruder Macé einmal sein tiefstes Geheimnis mit einem einzigen tief einschneidenden Wort enthüllt:
,Wie sollte man nicht allzeit glücklich sein im Dienste Gottes? Nichts hindert auch Sie so restlos glücklich zu sein wie ich !’

Wir kommen zum dritten Sohn der Eheleute Van Wersch-Beckers, die übrigens neben den vier in den Ordensstand eingetretenen Söhnen noch zwei Töchter hatten, die ebenfalls die klösterliche Berufsiaufbahn einschlugen.

AUGUSTE VICTOR war am 20. April 1833 geboren. Er trat am 7. Dezember 1850 in die la Sallesche Brüderfamilie ein. 33 Jahre lebte er im Beruf und starb als 50Jähriger am 27. August 1883.
Sein Ordensname war Bruder Matur Und dieser Name war bezeichnend, er sagt ja so viel wie reif. Ja, reif und reich war das ganz im Stillen und Verborgenen sich abwickelnde Dienstleben dieses echten Gottesmannes. Und nicht zuletzt haben die anhaltenden verschiedensten Krankheiten eine von der Erde losgelöste und an Gott ganz hingegebene Persönlichkeit zur Ausreife gelangen lassen. In diesem pflichttreuen Ordensmanne hatte wirklich ein Heiliger nach höchster Vollendung gerungen.

Der vierte im Brüderkreise Van Wersch war JEAN NICOLAS. Er hatte das Licht der Welt am 23. Januar 1837 erblickt. Am 16. Juli 1853 fand er als der spätere Bruder Modestinus Aufnahme, um nach 65 Jahren Beruf im Alter von 82 Jahren in Bockrijck (Genck) am 15.Februar 1919 seinen drei schon heimgegangen Brüdern in die Ewigkeit nachzugehen.

In Bruder Modestinus hat die Galerie der Schulbrüder eine jener Gestalten besessen, die ein wahrer Segen, eine große Gnade bedeuten für die Kinder, die unter solchen Lehrmeistern ihren Gang ins Leben antreten dürfen.
War er mit seiner persönlichen Charakter eigenart in Produkt gütigen und frohen Empfindens in allen Lagen, auch den schwierigsten, dann war seine Erziehertätigkeit vor allem ausgezeichnet durch zwei markante Vorzüge: Bruder Modestinus verstand es meisterhaft die erhabenen Geheimnisse und wertvollen Übungen: unseres Glaubens in die Kinderseelen tief einzusenken, sodaß für sie die Region wirklich zu etwas Lebendigem wurde.
Dann legte er größtes Gewicht und tiefsten Nachdruck auf feines, anständiges Verhalten. Wie täte unserer heutigen Jugend dieser Einschlag in der Ausbildung not !

Wie möchte man mancher unserer Familien in unserer Gegend wünschen, daß, wenn auch nicht sechs Kinder dem Dienste Gottes und dem Erzieherberuf sich widmen, so doch das keine oder andere Kind dem lieben Gott sich schenkte ! Ja, möchte der hl. Baptist de la Salle wie schon immer, auch heute noch eine reiche Saat von Berufen in unseren Gegend ernten!

Bron: 17 mei 1947: Die Fliegende Taube, Katholische Volksblatt Aubel.